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14. Februar 2024

Minensicherheit und Arbeitsschutz bei ukrainischen Agrarunternehmen

Einleitung
1. Rechtslage in der Ukraine
2. Pflichten des Arbeitgebers unter Kriegsbedingungen
3. Pflichten des Arbeitnehmers unter Kriegsbedingungen
4. Entwicklung und Umsetzung von Minensicherheitsstrategien
5. Anpassung an die Rechtsvorschriften der Ukraine

 

Angesichts der anhaltenden Aggression der russischen Föderation steht der ukrainische Agrarsektor vor noch nie gesehenen Herausforderungen, insbesondere aufgrund der Kontaminierung landwirtschaftlicher Flächen mit Sprengkörpern. Diese Situation erfordert von den landwirtschaftlichen Betrieben ein rigoroses und sachkundiges Herangehen an die Arbeitssicherheit in einem stark minengefährdeten Umfeld.

Die Grundlage hierfür bildet die sog. „Explosive Ordnance Risk Education“ (EORE) – eine Schulung über die mit Sprengkörpern verbundenen Risiken. Die Integration solcher Schulungsmethoden in die betriebliche Arbeitsschutzpolitik und das Arbeitsschutzmanagementsystem wird nicht nur die Mitarbeiter der ukrainischen Agrarunternehmen schützen, sondern auch die Haftungsrisiken für das Management reduzieren.

1. Rechtslage in der Ukraine

Die Grundlage für die gesetzliche Regelung des Arbeitsschutzes bilden das Arbeitsgesetzbuch der Ukraine und das Gesetz der Ukraine „Über den Arbeitsschutz“. Besondere Aufmerksamkeit wird der Minensicherheit durch das Gesetz der Ukraine „Über die Gewährleistung der Sicherheit der Bürger in den vom bewaffneten Konflikt betroffenen Gebieten“ sowie durch Beschlüsse des Ministerkabinetts der Ukraine und des Ministeriums für Sozialpolitik gewidmet.

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In diesem Zusammenhang sind auch die völkerrechtlichen Regelwerke wie die Ottawa-Konvention und die Übereinkommen 81, 129, 174 und 187 der Internationalen Arbeitsorganisation zu beachten. Darüber hinaus ist es wichtig, die Methoden des Genfer Internationalen Zentrums für Humanitäre Minenräumung zu berücksichtigen, die detaillierte Leitlinien für das integrierte Risikomanagement im Zusammenhang mit Sprengkörpern enthalten.

2. Pflichten des Arbeitgebers unter Kriegsbedingungen

Die Realität des Krieges in der Ukraine zwingt die Arbeitgeber, nicht nur für die allgemeine Sicherheit am Arbeitsplatz zu sorgen, sondern auch den spezifischen Gefahren durch Minen und Sprengkörper zu begegnen. Zu den Pflichten der Arbeitgeber gehört u.a.:

  • eine gründliche Risikobewertung mit besonderem Augenmerk auf Sprengstoffrisiken durchzuführen. Dazu gehören die Ermittlung potenziell minengefährdeter Gebiete, die Einstufung in Gefahrenklassen und die Durchführung gezielter Maßnahmen zur Minensicherheit;
  • die EORE-Methoden in die Minensicherheitsprotokolle des Unternehmens zu integrieren, um sicherzustellen, dass jeder Mitarbeiter die Gefahrensituation, das richtige Verhalten und die Reaktion auf Notfälle kennt und darin geschult ist;
  • Minensicherheitsschulungen systematisch und detailliert aufzuzeichnen und Vorfälle zu dokumentieren. Diese Dokumentation dient als Nachweis für die Einhaltung der Minensicherheitsvorschriften und ist ein wichtiges Instrument für die kontinuierliche Verbesserung und die rechtliche Absicherung des Arbeitgebers;
  • aktiv mit den lokalen Behörden zusammenzuarbeiten, wie z.B. mit dem Staatlichen Dienst für Notfallsituationen (DSNS) und dem Innenministerium, um die sichersten Dienstwege für das Personal zu gewährleisten. Die Bestätigung der Sicherheit der gewählten Routen durch die zuständigen Behörden und die Gewährleistung, dass die Mitarbeiter auf ihren Dienstwegen und während der Arbeit über zuverlässige Kommunikationsmittel verfügen, sind wichtige Schritte zur Risikominimierung;
  • spezifische Gefahren zu erkennen, die von Minen und explosiven Kriegsmunitionsrückständen ausgehen, insbesondere von solchen, die auf landwirtschaftlich genutzten Flächen verborgen sind. Insbesondere ist es wichtig, die Bestandteile der Sprengkörper, die Menge des Sprengstoffs und die Nähe zu potentiellen Opfern zu erkennen;
  • geeignete Minensicherheitsmaßnahmen zu planen, die nicht nur die unmittelbaren Risiken, sondern auch die Langzeitwirkungen der Minen- und Kampfmittelrückstände berücksichtigen. Mit der Zeit können diese explosiven Kriegsmunitionsrückstände ihre Stabilität verlieren und dadurch noch gefährlicher werden.

Darüber hinaus werden die Arbeitgeber aufgefordert, bestehende Schulungsprogramme zu überprüfen und an die neuen Gegebenheiten anzupassen, um sicherzustellen, dass das gesamte Personal, insbesondere diejenigen, die an technischen Arbeiten beteiligt sind, über die Gefahren von Minen und anderen Kriegsmunitionsrückständen informiert sind.

3. Pflichten des Arbeitnehmers unter Kriegsbedingungen

Mitarbeiter, die in mit Sprengkörpern kontaminierten Bereichen tätig sind, müssen ihre Aufgaben mit äußerster Sorgfalt wahrnehmen und sich darüber im Klaren sein, dass Verstöße gegen die Vorschriften oder Nachlässigkeit schwerwiegende rechtliche und persönliche Folgen haben können.

Die Arbeitnehmer sind insbesondere verpflichtet:

  • über ein umfassendes Verständnis der munitionsspezifischen Explosionsgefahren zu verfügen, einschließlich des unmittelbaren Explosionsdrucks bei der Detonation und des Risikos von Splitter-, Hitze- und Aufprallschäden. Das Erkennen dieser Risiken ist der erste Schritt zur Planung und Durchführung geeigneter Minensicherheitsmaßnahmen;
  • sich strikt an die ausgewiesenen Sicherheitsrouten zu halten und auf verdächtige Objekte zu achten, insbesondere wenn das Gebiet zuvor von Kampfhandlungen betroffen war;
  • sofort den DSNS und die Polizei zu benachrichtigen, wenn verdächtige Gegenstände gefunden werden, um eine schnelle Reaktion zu gewährleisten und mögliche Risiken zu verringern;
  • aktiv an Minensicherheitstrainings und -übungen teilzunehmen, um sich mit den besten Praktiken für das Fortbewegen und Arbeiten in minenverseuchten Gebieten vertraut zu machen.

Es sei daran erinnert, dass die Nichteinhaltung der festgelegten Minensicherheitsprotokolle strafrechtliche Konsequenzen haben kann, wenn ihre Verletzung zu einer Gesundheitsschädigung oder im schlimmsten Fall zum Tod eines Arbeitnehmers führen kann.

4. Entwicklung und Umsetzung von Minensicherheitsstrategien

Angesichts der Besonderheiten des ukrainischen Agrarsektors und der erhöhten Risiken ist es nicht nur erforderlich, die bestehenden Arbeitsschutzdokumente anzupassen, sondern auch neue Dokumente zu entwickeln, die den besonderen Bedingungen in Kriegszeiten Rechnung tragen.

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Ein Plan für ihre Entwicklung und Umsetzung hat Folgendes sicherzustellen:

  • Revision und Aktualisierung bestehender Dokumente. Zu diesem Zweck ist es unter anderem sinnvoll, eine Checkliste für die Durchführung eines Arbeitsschutzaudits zu erstellen, die als Ausgangspunkt für die Überprüfung der Relevanz der vorhandenen Dokumente dienen kann;
  • Entwicklung neuer Anweisungen und Programme. Besonderes Augenmerk sollte auf die Ausarbeitung von Arbeitsschutzanweisungen gelegt werden, die die mit der Minengefahr verbundenen Risiken berücksichtigen;
  • Systematisierung und Registrierung der Dokumentation. Alle Anweisungen, Schulungsprogramme, Vorschriften und andere Dokumente sollten gut organisiert und systematisch erfasst werden. Einarbeitungsprotokolle, Unterweisungsprotokolle usw. sollten auf dem neuesten Stand gehalten werden und den Mitarbeitern jederzeit zugänglich sein;
  • Entwicklung spezifischer Evakuierungspläne. Ein wichtiger Aspekt der Minensicherheitspolitik ist die Entwicklung klarer und verständlicher Evakuierungspläne und -maßnahmen für den Fall, dass Sprengkörper gefunden werden und das Personal solchen Sprengkörpern ausgesetzt ist. Diese Pläne sollten Informationen über sichere Wege, Sammelstellen und Kommunikationsverfahren mit den Rettungsdiensten enthalten;
  • Zugänglichkeit und Verständnis der Minensicherheitsstrategien. Jeder Arbeiter sollte über seine Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Minengefahr im Bilde sein. Es muss sichergestellt werden, dass alle Sicherheitsanweisungen und -richtlinien in einer klaren Sprache verfasst und leicht zugänglich sind;
  • Verankerung einer Minensicherheitskultur auf allen Unternehmensebenen. Dies kann durch regelmäßige Treffen, Seminare und andere Aktivitäten erreicht werden, die das gegenseitige Verständnis zwischen den Mitarbeitern, dem Agrarunternehmensmanagement und den Minensicherheitstrainern fördern;
  • regelmäßige Überwachung und Evaluierung der Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen. Es ist wichtig, die Wirksamkeit der eingeführten Arbeitsschutzmaßnahmen und -verfahren in Bezug auf die Minensicherheit systematisch zu bewerten. Dies kann durch interne Audits, Mitarbeiterbefragungen und die Analyse von Unfallstatistiken geschehen, um mögliche Schwachstellen zu identifizieren und zu beheben;
  • Einführung von Feedback- und Beratungsinstrumenten. Dazu können anonyme Umfragen, spezielle Vorschlagskästen und regelmäßige Besprechungen gehören. Rückmeldungen helfen, potenzielle Probleme zu erkennen und wirksame Strategien zu ihrer Lösung zu entwickeln;
  • Anpassung und Verbesserung der Regelwerke. Auf der Grundlage einer Zustandsanalyse des Arbeitsschutzes, der Rückmeldungen der Arbeitnehmer und der Ergebnisse der Audits sollten die Vorschriften des Arbeitsschutzmanagementsystems, die Anweisungen und andere Vorschriften regelmäßig aktualisiert und verbessert werden. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Dokumente den aktuellen Bedingungen und Anforderungen im Bereich der Minensicherheit gerecht werden und das Risiko einer Haftung der Führungskräfte der ukrainischen Agrarunternehmen für Verstöße gegen den Arbeitsschutz verringert;
  • Einsatz innovativer Technologien zur Verbesserung der Sicherheit. Moderne Technologien können die Wirksamkeit des Arbeitsschutzsystems im Zusammenhang mit der Minensicherheit erheblich verbessern. Dies kann den Einsatz mobiler Apps zur schnellen Meldung von Explosionsgefahren, interaktive Karten von Gefahrenzonen und sicheren Routen, Notruf- und Meldesysteme, Fernunterricht über webbasierte Plattformen und den Einsatz von Drohnen zur Bewertung und Überwachung potenzieller Gefahrenzonen umfassen;
  • Beauftragung externer Experten für Beratung und Unterstützung. Um eine effektive und zeitgemäße Minensicherheitsstrategie zu gewährleisten, müssen ukrainische Unternehmen externe Experten für Beratung, Risikobewertung und Unterstützung bei der Entwicklung und Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen beauftragen. Dabei ist zu beachten, dass diese Experten nicht nur über einschlägige Erfahrung und Ausbildung verfügen, sondern auch entsprechend zertifiziert sein müssen;
  • Ausarbeitung und ordnungsgemäße Genehmigung detaillierter Notfallpläne. Die Vorbereitung auf Notfälle, insbesondere im Zusammenhang mit der Minensicherheit, erfordert eine detaillierte Planung und klare Handlungsabläufe. Der Arbeitgeber sollte Gefahrenabwehrpläne aufstellen, die das Verhalten der Arbeitnehmer bei Explosionsgefahr, die Organisation der Evakuierung der betroffenen Personen und die Zusammenarbeit mit den Rettungsdiensten regeln;
  • Integration der Minensicherheitsstrategien mit anderen Aspekten der Unternehmensführung. Das Minenrisikomanagement sollte kein isolierter Teil des Arbeitsschutzsystems eines Unternehmens sein, sondern in alle Aspekte des Managements integriert werden. Dies beinhaltet die Sicherstellung der Kommunikation zwischen den verschiedenen Abteilungen und die Koordination der Bemühungen von Fach- und Führungskräften, um eine gemeinsame Kultur der Minensicherheit zu schaffen;
  • Regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung der Minensicherheitspolitik. Die Sicherheitsstrategie sollte dynamisch sein und an Veränderungen am Arbeitsplatz, im externen Umfeld und in der Gesetzgebung angepasst werden können. Regelmäßige Überprüfungen der Wirksamkeit der eingeführten Sicherheitsmaßnahmen, Rückmeldungen der Arbeitnehmer und entsprechende Änderungen der Sicherheitspolitik sind der Schlüssel, um sicherzustellen, dass sie relevant und wirksam bleibt.

5. Anpassung an die Rechtsvorschriften der Ukraine

Ein wichtiger Schwerpunkt ist die Anpassung der Minensicherheitspolitik an die Anforderungen der ukrainischen Gesetzgebung. Der Arbeitsschutz in der Ukraine ist ein System von klar geregelten Verfahren, einschließlich verbindlicher Dokumente und Anforderungen an deren Ausfertigung. Die Nichteinhaltung dieser Anforderungen kann zu verwaltungs- und sogar strafrechtlicher Haftung der Unternehmensleitung führen.

Das Arbeitsschutzsystem der ukrainischen Agrarunternehmen wird durch mehrere Dutzend Dokumente geregelt, die ordnungsgemäß erstellt werden müssen. Die Anpassung dieser Dokumente an die Minensicherheitspolitik und die Einhaltung aller Verfahren (Einsicht, Veröffentlichung, Registrierung) sind obligatorisch. Die Nichteinhaltung dieser Verfahren kann dazu führen, dass der Leiter des Unternehmens im Falle eines Unfalls zur Verantwortung gezogen wird.

Zu diesen Dokumenten gehören beispielsweise:

  • Vorschriften für das Arbeitsschutzmanagementsystem, angepasst an die jeweils aktuelle Minensicherheitssituation;
  • Vorschriften für die Durchführung von Schulungen und Wissenstests im Bereich der Arbeitssicherheit, die auf die Durchführung spezieller Schulungen im Bereich der Minensicherheit abgestimmt sind;
  • Anordnungen zur Genehmigung und Änderung von Minensicherheitsvorschriften;
  • Anordnungen zur Genehmigung einer angepassten Liste von Hochrisikoarbeiten im Hinblick auf die Minensicherheitsvorschriften;
  • Anordnungen zur Ernennung von Personen, die für die Durchführung von Einführungsschulungen im Bereich der Minensicherheit zuständig sind;
  • spezielle Ausbildungsprogramme für Arbeitnehmer, die an die Anforderungen der Minensicherheit angepasst sind;
  • auf die Minensicherheit abgestimmte Arbeitsanweisungen;
  • Stellenbeschreibungen, die auf die Minensicherheit abgestimmt sind;
  • Nachweise über die Durchführung spezieller Schulungen;
  • Nachweise über die Veröffentlichung von Ausbildungsplänen zur Minensicherheit;
  • Nachweise über die Unterweisung des Personals in Anordnungen, Vorschriften und anderen die Minensicherheit betreffenden Dokumenten;
  • Nachweise, dass das Personal an speziellen Minensicherheitstrainings teilgenommen hat;
  • Unterlagen über Unfalluntersuchungen, Verzeichnis der von Minenunfällen betroffenen Personen;
  • Nachweise der Zusammensetzung und Verfügbarkeit von minentauglichen Erste-Hilfe-Ausrüstungen.
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