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13. April 2022

Arbeitsverhältnisse in der Ukraine während des Kriegszustands

Einleitung
1. Abschluss von Arbeitsverträgen
2. Versetzung und Änderung von wesentlichen Arbeitsbedingungen
3. Kündigung von Arbeitsverträgen
3.1. Kündigung von Arbeitsverträgen auf Initiative von Arbeitnehmern
3.2. Kündigung von Arbeitsverträgen auf Initiative von Arbeitgebern
4. Arbeits- und Erholungszeit
5. Besonderheiten beim Heranziehen zur Arbeit für einige Arbeitnehmergruppen
6. Arbeitsvergütung
7. Urlaub während des Kriegszustands
8. Aussetzung von Arbeitsverträgen
9. Organisation der Personalaktenverwaltung

 

Am 23. März 2022 trat das ukrainische Gesetz über die Organisation der Arbeitsverhältnisse während des Kriegszustands in Kraft, in welchem Besonderheiten der Arbeitsverhältnisse während des Kriegszustands in der Ukraine festgelegt werden, und zwar für Arbeitnehmer an allen Unternehmen sowie in allen Einrichtungen und Organisationen unabhängig von deren Eigentumsform, Geschäftstätigkeit und Branche sowie für Personen, die nach einem Arbeitskontrakt tätig sind.

1. Abschluss von Arbeitsverträgen während des Kriegszustands

Für die Zeit des Kriegszustands in der Ukraine wird die Form von Arbeitsverträgen durch deren Parteien einvernehmlich vereinbart. Es ist jetzt erlaubt, von der Anforderung über die Schriftform für Arbeitsverträge in den Fällen abzuweichen, in welchen die Schriftform unter normalen Umständen obligatorisch ist, darunter:

  • bei einer organisierten Einstellung von Arbeitskräften;
  • beim Abschluss von Arbeitsverträgen für Arbeiten in Gebieten mit besonderen naturräumlichen, geografischen und geologischen Bedingungen sowie mit erhöhter Gesundheitsgefährdung;
  • beim Abschluss von Arbeitskontrakten;
  • beim Abschluss von Arbeitsverträgen mit natürlichen Personen;
  • beim Abschluss von Arbeitsverträgen für Tele- bzw. Heimarbeit usw.

Für alle Arbeitnehmergruppen kann die Bedingung zur Durchführung von Einstellungstesten festgelegt werden.

Arbeitgeber sind berechtigt, neue Arbeitnehmer aufgrund von befristeten Arbeitsverträgen für die Zeit des Kriegszustands in der Ukraine oder für die Zeit der vorübergehenden Vertretung ihrer Arbeitnehmer unabhängig von Gründen deren Abwesenheit einzustellen.

2. Versetzung und Änderung von wesentlichen Arbeitsbedingungen während des Kriegszustands

Ukrainische Arbeitgeber sind berechtigt, ihre Arbeitnehmer auf andere Stellen zu versetzen, die arbeitsvertraglich nicht vorgesehen sind (sofern dies für die Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht kontraindiziert ist), und zwar ohne ihre Zustimmung und ohne vorherige Benachrichtigung vor 2 (zwei) Monaten, wenn folgende Bedingungen eingehalten worden sind:

  • die Versetzung erfolgt nur zur Verhinderung und Beseitigung von Folgen der Kampfhandlungen sowie anderer Umstände, die das Leben oder die normalen menschlichen Lebensbedingungen gefährden oder gefährden können;
  • die Vergütung für die geleistete Arbeit darf nicht niedriger sein, als der Durchschnittsverdienst für die vorherige Arbeit.

Ausnahme: die Zustimmung des Arbeitnehmers ist erforderlich, wenn er auf die Arbeit in ein anderes Gebiet versetzt wird, in welchem aktive Kampfhandlungen geführt werden.

3. Kündigung von Arbeitsverträgen während des Kriegszustands

3.1. Kündigung von Arbeitsverträgen auf Initiative von Arbeitnehmern

Arbeitnehmer sind berechtigt, ihre Arbeitsverträge auf eigene Initiative zu kündigen, und zwar zu den in ihren Kündigungsanträgen angegebenen Fristen (ohne Einhaltung der zweiwöchigen Kündigungsfrist) im Zusammenhang mit geführten Kampfhandlungen in den ukrainischen Gebieten, in welchen sich ihre Unternehmen, Einrichtungen oder Organisationen befinden, und bei drohenden Lebens- und Gesundheitsgefahren für diese Arbeitnehmer.

Ausnahme: die Arbeitnehmer sind beteiligt an:

  • gemeinnützigen Arbeiten in der Kriegszeit;
  • Arbeiten an kritischen Infrastrukturobjekten.

3.2. Kündigung von Arbeitsverträgen auf Initiative von Arbeitgebern

Wenn es gesetzlich zulässig ist, dürfen Arbeitnehmer auf Initiative ihrer Arbeitgeber während ihrer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit sowie in ihrer Urlaubszeit gekündigt werden. Als Kündigungsdatum gilt hier der erste Arbeitstag nach dem Tag der Beendigung der vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit oder nach der Urlaubsbeendigung.

Ausnahme:

  • Schwangerschaftsurlaub;
  • Mutterschaftsurlaub.

Dass eine vorherige Zustimmung der primären Gewerkschaften zur Kündigung von Arbeitnehmern auf Initiative ihrer Arbeitgeber notwendig ist, ist nur dann der Fall, wenn es um die Kündigung der Arbeitnehmer geht, die zu Gewerkschaftsorganen gewählt wurden.

4. Arbeits- und Erholungszeit während des Kriegszustands

Die maximale Arbeitszeit für Arbeitnehmer während des Kriegszustands ist wie folgt in der Ukraine:

  • normale Arbeitszeit – 60 Stunden/Woche (statt 40 Stunden);
  • verkürzte Arbeitszeit – 50 Stunden/Woche.

Eine 5- bzw. 6-tägige Arbeitswoche wird von Arbeitgebern eingeführt, wenn dies durch das Militärkommando zusammen mit den Militärverwaltungen beschlossen wurde.

Arbeitgeber bestimmen auch, wann die tägliche Arbeit (der Schichtwechsel) beginnt und endet.

Die Dauer der wöchentlichen ununterbrochenen Erholungszeit kann auf 24 Stunden (von 42 Stunden) reduziert werden.

Die ukrainischen arbeitsrechtlichen Vorschriften sind in folgenden Fällen nicht anwendbar:

  • bei der verkürzten Arbeitszeit in der Nacht, am Vorabend von arbeitsfreien, Feier- und Ruhetagen sowie beim außerordentlichen Verfahren zum Heranziehen von Arbeitnehmern zur Arbeit an diesen Tagen und zur entsprechenden Vergütung;
  • beim Verbot der Überschreitung von Überstunden von mehr als vier Stunden an 2 (zwei) aufeinanderfolgenden Tagen und 120 (einhundertzwanzig) Stunden pro Jahr.

Zur Nachtarbeit dürfen nicht folgende Personen ohne ihre Zustimmung herangezogen werden:

  • schwangere Frauen;
  • Frauen mit Kindern unter einem Jahr;
  • Personen mit Behinderungen, für welche diese Arbeit nach ärztlichen Empfehlungen kontraindiziert ist.

5. Besonderheiten beim Heranziehen zur Arbeit für einige Arbeitnehmergruppen

Es ist erlaubt, die Frauenarbeit bei schweren Arbeiten und bei Arbeiten mit schädlichen und gefährlichen Arbeitsbedingungen sowie bei Untertagearbeiten einzusetzen.

Ausnahme: schwangere Frauen und Frauen, die Kinder unter 1 Jahr stillen.

Arbeitnehmer mit Kindern, wenn ihre Zustimmung dafür vorliegt, dürfen während des Kriegszustands zu Nacht- und Überstundenarbeiten sowie zu Arbeiten an arbeitsfreien, Feier- und Ruhetagen herangezogen und dienstlich entsandt werden.

6. Arbeitsvergütung

Die Arbeitsvergütung wird dem Arbeitnehmer so ausgezahlt, wie arbeitsvertraglich festgelegt. Der Arbeitgeber ist jedoch von der Haftung für die Verletzung der Frist der Arbeitsvergütungszahlung befreit, wenn er nachweisen kann, dass diese Verletzung auf Kampfhandlungen oder sonstige Umstände höherer Gewalt zurückzuführen ist.

Die Industrie- und Handelskammer der Ukraine (weiter IHK) hat beschlossen, das Bestätigungsverfahren für Umstände höherer Gewalt (Force-Majeure-Umstände) zu vereinfachen. Um die obligatorische Antragstellung bei der IHK der Ukraine und ihren autorisierten regionalen IHKs zu vermeiden und die Vorbereitung von Dokumentensätzen während des eingeführten Kriegszustands unnötig zu machen, wurde am 28. Februar 2022 auf der Webseite der IHK der Ukraine ein allgemeines offizielles Schreiben der IHK der Ukraine veröffentlicht, in welchem der Eintritt der Umstände höherer Gewalt (der Force-Majeure-Umstände) bestätigt wird. Das heißt, alle Betroffenen können bei Bedarf die entsprechende Bestätigung ausdrucken.

Wenn es wegen der Kampfhandlungen nicht möglich ist, die Arbeitsvergütung rechtzeitig auszuzahlen, kann die Frist der Arbeitsvergütungszahlung bis zur Wiederaufnahme der Tätigkeit des Unternehmens verschoben werden.

7. Urlaub während des Kriegszustands

Während des Kriegszustands wird den Arbeitnehmern der jährliche bezahlte Haupturlaub für 24 Kalendertage gewährt. Die jeweils verbleibenden Urlaubstage sollen nach der Aufhebung des Kriegszustands in der Ukraine gewährt werden.

Arbeitgeber können ihren Arbeitnehmern jeden Urlaub verweigern, wenn diese an Arbeiten an kritischen Infrastrukturobjekten beteiligt sind.

Ausnahme:

  • Schwangerschaftsurlaub;
  • Mutterschaftsurlaub bei Kindern unter drei Jahren.

Ukrainische Arbeitgeber können auf Wunsch ihrer Arbeitnehmer einen unbezahlten Urlaub gewähren, ohne dabei die gesetzliche Grenze von 15 Urlaubstagen pro Jahr einzuhalten.

8. Aussetzung von Arbeitsverträgen

Es wurde durch den Gesetzgeber der Begriff „Aussetzung von Arbeitsverträgen“ eingeführt, der Folgendes bedeutet:

  • vorübergehende Befreiung des Arbeitgebers von der Verpflichtung, dem Arbeitnehmer eine Arbeit zu verschaffen, und
  • vorübergehende Befreiung des Arbeitnehmers von der Verpflichtung, seine Arbeit nach dem abgeschlossenen Arbeitsvertrag zu leisten.

Die Aussetzung von Arbeitsverträgen hat die Auflösung von Arbeitsverhältnissen nicht zur Folge.

Als Aussetzungsgrund kann ein militärischer Angriff gegen die Ukraine angesehen werden, so dass die Arbeitsbeschaffung und -durchführung unmöglich sind.

Wenn möglich, müssen die Parteien einander über die Aussetzung des Arbeitsvertrags auf jede verfügbare Weise informieren.

Die Erstattung der Arbeitsvergütungen sowie aller garantierten und Ausgleichzahlungen an die Arbeitnehmer für die Aussetzungszeit obliegt vollumfänglich dem Angreiferstaat.

Während des Kriegszustands in der Ukraine können zudem einzelne Bestimmungen des Tarifvertrags auf Initiative des Arbeitgebers ausgesetzt werden.

9. Organisation der Personalaktenverwaltung

Die Organisation der Personalaktenverwaltung und der Archivierung der Personalunterlagen erfolgt während des Kriegszustands nach Ermessen des Arbeitgebers.

Gleichzeitig weist das Wirtschaftsministerium der Ukraine in seinem Kommentar zum Gesetz darauf hin, dass es – um die Einhaltung der Rechte von Arbeitnehmern zu gewährleisten – für Arbeitgeber immer noch obligatorisch bleibt, die von ihren Arbeitnehmern geleisteten Arbeiten und die Arbeitskosten zuverlässig zu erfassen.

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