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11. September 2025

Infrastruktur, Transport und Logistik in der Ukraine

1. Aktuelle Lage
2. Gesetzgebung
3. Herausforderungen
4. Entwicklungsperspektiven des Sektors

 

1. Aktuelle Lage

Logistik und Transport sind Schlüsselbereiche, die den Betrieb der meisten Wirtschaftszweige sicherstellen. Dieser Sektor hat direkten Einfluss auf die Entwicklung des Landes, die Wettbewerbsfähigkeit nationaler Hersteller, die Sicherung der Haushaltseinnahmen sowie den Zugang nationaler Waren zu internationalen Märkten.

Die Notwendigkeit, die Verkehrsinfrastruktur und den Logistiksektor weiterzuentwickeln, ergibt sich auch aus den Kriegshandlungen in der Ukraine. Die Lieferung notwendiger Güter, Technik und humanitärer Hilfe aus Partnerländern ist dringend erforderlich.

Aufgrund ihrer geografischen Lage fungierte die Ukraine historisch gesehen als Bindeglied zwischen Europa und Asien. Dies bedingte die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur in allen Transportbereichen.

Die Verkehrsinfrastruktur hat durch die Kriegshandlungen erhebliche Schäden erlitten – sowohl direkte als auch indirekte. Die Gesamtsumme der durch den Krieg verursachten Schäden im Verkehrssektor wird auf mindestens 30,5 Milliarden Euro geschätzt. Der Bedarf für den Wiederaufbau und die sofortige Instandsetzung beträgt hingegen 66,8 Milliarden Euro. Der größte Teil der Mittel wird für die Wiederherstellung von Straßen von nationaler Bedeutung benötigt (29 %), weitere 16 % entfallen auf Straßen von lokaler Bedeutung.

Trotz des Krieges bleibt die Infrastruktur der Ukraine ein wichtiger Bereich für Entwicklung und Investitionen. Aus diesem Grund unternimmt die Ukraine Schritte, um Investoren den Zugang zu diesem Markt zu erleichtern.

2. Gesetzgebung

Der Transport- und Logistiksektor in der Ukraine wird durch eine Reihe von Rechtsvorschriften geregelt, darunter die Nationale Transportstrategie der Ukraine bis 2030. Diese Strategie zielt auf die Harmonisierung mit den Normen der Europäischen Union ab und spiegelt das Bestreben nach Integration in das Transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-T) wider.

Zu der Strategie gehören unter anderem folgende Punkte:

  • das Prinzip „Besser wiederaufbauen, als es vorher war“ (Build Back Better). Um dieses Prinzip umzusetzen, wurde das digitale System DREAM eingeführt;
  • der als Ergänzung zur Strategie konzipierte Operationsplan für 2025–2027, der klarer und strukturierter gestaltet ist;
  • bis 2026 sollen EU-Gesetze zum Zugang zum Kraftverkehrsmarkt sowie zur Gewährleistung sozialer Garantien und Arbeitsbedingungen für Fahrer eingeführt werden;
  • bis 2027 verpflichtet sich die Regierung, dem Parlament einen Entwurf zur Änderung des Gesetzes über den Kraftverkehr in Bezug auf den Transport leicht verderblicher Lebensmittel vorzulegen;
  • bis 2027 müssen mehrere Ministerien Änderungen an Rechtsvorschriften verabschieden, um Transportunternehmen zu verbieten, Ladungen zu befördern, die die Abmessungs- und Gewichtsnormen überschreiten, ohne über die entsprechende Genehmigung zu verfügen, und um zu verhindern, dass solche Fahrzeuge von den Verladeorten (Steinbrüche, Silos, Abholzplätze, Hafenagenturen usw.) auf die Straße gelassen werden; und
  • es wird außerdem die Unterzeichnung bilateraler und multilateraler Abkommen zur Liberalisierung des Güterkraftverkehrs erwartet.

Im August 2025 veröffentlichte die ukrainische Regierung den Entwurf eines Aktionsplans für die Jahre 2025/26. Dieser sieht unter anderem Folgendes vor:

  • Sicherung der finanziellen Stabilität von „Ukrsalisnyzia“ (ukrainische Eisenbahngesellschaft) als strategisch wichtigem Transportunternehmen;
  • Einführung europäischer Normen für Interoperabilität und Sicherheit im Schienenverkehr;
  • Priorität für öffentlich-private Partnerschaften im Seehafen Tschornomorsk;
  • Einführung eines einheitlichen Seeverkehrsfensters in den ukrainischen Seehäfen;
  • Reform des Straßenverkehrs gemäß europäischen Sicherheitsstandards;
  • geplante Stärkung der Agentur für Wiederaufbau als Kompetenzzentrum für die Modernisierung des Verkehrssystems;
  • Erhöhung der Durchlasskapazität an den Grenzen um mindestens 15 % für den Güter- und Personenverkehr;
  • Sicherstellung eines nachhaltigen Betriebs des Getreidekorridors;
  • Schaffung einer modernen Grenzinfrastruktur für eine effiziente Geschäftsabwicklung; und
  • Schaffung der Voraussetzungen für die Wiederherstellung, Modernisierung und nachhaltige Entwicklung der Infrastruktur.

Die ukrainische Regierung hat das digitale System „DREAM“ zur Verwaltung öffentlicher Investitionen eingeführt, um die Finanzierung und Umsetzung von Infrastrukturprojekten transparenter zu gestalten.

Mit dieser und anderen Anpassungen der ukrainischen Gesetzgebung soll unter anderem eine Harmonisierung mit dem „Grünen Deal“ der Europäischen Union erreicht werden, der neue Vorschriften für Emissionen und energieeffizienten Verkehr vorsieht.

Es wird erwartet, dass bereits im Jahr 2025 Gesetzesentwürfe zu digitalen Logistiksystemen und zum papierlosen Handel vorgelegt werden.

3. Herausforderungen

Trotz gesetzlicher Fortschritte gibt es eine Reihe von Faktoren, die die Entwicklung der Verkehrs- und Logistikinfrastruktur in der Ukraine bremsen. Kriegshandlungen und Luftangriffe haben der Verkehrsinfrastruktur schweren Schaden zugefügt, der sich auf mehrere Milliarden Euro beläuft.

Laut dem Nationalen Rat für den Wiederaufbau der Ukraine musste Anfang 2024 ein Großteil der Infrastruktur saniert werden. Dies gilt insbesondere für die Grenzregionen, in denen die Straßen aufgrund des erhöhten Güterverkehrs in die Länder der Europäischen Union stärker abgenutzt sind.

Die Situation wird durch begrenzte staatliche Finanzierung und Kürzungen der Haushaltsmittel für Modernisierungsmaßnahmen zusätzlich erschwert. So führt der Ansatz der „Restfinanzierung“ für die Instandhaltung von Straßen beispielsweise zu Ineffizienz und Verzögerungen bei der Umsetzung wichtiger Projekte.

Probleme entstehen auch durch die langsame Verabschiedung, selektive Umsetzung und Durchsetzung von Rechtsvorschriften, die für die Harmonisierung der Gesetzgebung mit der Europäischen Union erforderlich sind.

Die nur zögerliche Einführung der Sicherheits- und Umweltstandards der Europäischen Union behindert die Integration der Ukraine. Korruptionsrisiken und bürokratische Ineffizienz, über die sich Investoren beschweren, hemmen zudem den Anstieg der Investitionen.

Im Logistiksektor bestehen nach wie vor operative Probleme, darunter veraltete Ausrüstung, eine unzureichende digitale Infrastruktur und ein Mangel an ausreichenden inländischen Investitionen.

4. Entwicklungsperspektiven des Sektors

Trotz dieser Herausforderungen verfügt der Transport- und Logistiksektor der Ukraine über ein erhebliches Investitionspotenzial.

In der nationalen Verkehrsstrategie der Ukraine bis 2030 sowie in ihrem Aktionsplan für die Jahre 2025 bis 2027 sind eine Reihe von Maßnahmen vorgesehen. Dazu gehört unter anderem die Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur bis 2030 sowie die Gewinnung von Investitionen durch öffentlich-private Partnerschaften und internationale Finanzierungen.

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Darüber hinaus sehen die Programme den Schutz von Investitionen und internationalen Partnerschaften vor.

Folgende Maßnahmen sind insbesondere geplant:

  • Einführung eines staatlichen Entschädigungsmechanismus für Schäden infolge bewaffneter Aggressionen auf See, um eine stabile Schifffahrt im Schwarzmeergebiet zu gewährleisten;
  • Fertigstellung des Baus der Eisenbahnstrecke Tschop–Uschhorod nach europäischem Standard bis Ende 2025;
  • Verlängerung der „Visafreiheit für den Verkehr” mit der EU und Erschließung neuer Märkte für den Export;
  • bis Ende 2026 – Gewährleistung der Möglichkeit des visumfreien Transits für den bilateralen und Transitverkehr mit Lastkraftwagen in die EU;
  • Erhöhung der Durchlasskapazität der Grenze um mindestens 15 % für den Güter- und Personenverkehr;
  • Erhöhung der Durchlasskapazität der Grenze um weitere 15 % und Eröffnung von mindestens 12 neuen oder modernisierten Grenzübergängen bis Ende 2026;
  • Einrichtung einer neuen Infrastruktur an zehn Grenzübergängen zur EU und zur Republik Moldau;
  • Unterzeichnung eines Abkommens zwischen der Ukraine und der EU über die Verwendung intelligenter Fahrtenschreiber;
  • Ausschreibung einer Konzession für den 40. Containerterminal und den ersten Universalterminal im Seehafen von Tschornomorsk bis Ende 2025; und
  • Entscheidung über die Zweckmäßigkeit des Konzessionsprojekts für einen Fährkomplex.

Das Prinzip „Build Back Better“ sieht die Priorisierung einer modernen und nachhaltigen Infrastruktur vor.

Die Entwicklung der Verkehrs- und Logistikinfrastruktur schafft darüber hinaus zusätzliche Möglichkeiten für den Bau bzw. die Sanierung und Entwicklung in anderen Sektoren.

Im Rahmen des „Ukraine Facility“-Programms und mit Unterstützung internationaler Partner sind in den kommenden Jahren der Ausbau von Solar- und Windkraftanlagen sowie die Modernisierung der Stromnetze geplant, um eine stabile Energieversorgung zu gewährleisten.

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Die Integration von Energieprojekten in die Verkehrsinfrastruktur – wie die Elektrifizierung von Eisenbahnen und der Aufbau einer Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge – eröffnet Investoren neue Möglichkeiten im Bereich der „grünen“ Technologien.

Der Wiederaufbau der Infrastruktur, zu der Logistikzentren, Lagerhäuser und Verwaltungsgebäude gehören, ist darüber hinaus ein Schlüsselelement für die Sanierung und den Wiederaufbau beschädigter oder zerstörter Gebäude und Anlagen.

Viele Projekte in den Bereichen erneuerbare Energien und Wiederaufbau werden durch öffentlich-private Partnerschaften und internationale Zuschüsse finanziert, wodurch sich die Risiken für Investoren verringern.

Der Transport- und Logistiksektor der Ukraine steht somit im Jahr 2025 an einem Scheideweg: Einerseits sehen sich die Akteure mit den Herausforderungen des Kriegs konfrontiert, andererseits bieten sich erhebliche Entwicklungsmöglichkeiten.

Ein mit den Standards der Europäischen Union harmonisierter Rechtsrahmen schafft die Grundlage für die Entwicklung, während staatliche Initiativen und internationale Unterstützung ein günstiges Umfeld für Investitionen schaffen.

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