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17. Oktober 2024

Öffentliche Beschaffungen im ukrainischen Energiesektor

Einleitung
1. Öffentliche Beschaffungen von Energieausrüstungen
2. Öffentliche Beschaffungen von Energiedienstleistungen
3. Öffentliche Beschaffungen mit internationaler Unterstützung

 

Die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine hat katastrophale Schäden an der Energieinfrastruktur verursacht. Der Bedarf der ukrainischen Energieversorger für die Reparatur und den Wiederaufbau der durch die Aggression beschädigten Anlagen ist erheblich und wächst weiter. Daher ist die Frage der effizienten Beschaffung geeigneter Ausrüstung für den ukrainischen Energiesektor unter Beachtung der Grundsätze der größtmöglichen Sparsamkeit und Verhältnismäßigkeit von größter Bedeutung.

1. Öffentliche Beschaffungen von Energieausrüstungen

Die Beschaffung von Ausrüstungen für den Bedarf des öffentlichen und kommunalen Energiesektors der Ukraine erfolgt u.a. im Rahmen des öffentlichen Beschaffungswesens.

Derzeit stehen folgende Beschaffungswege zur Verfügung:

  • durch offene Ausschreibungen mit besonderen Merkmalen, insbesondere die sogenannten „Eurotender“;
  • durch Verwendung eines elektronischen Katalogs;
  • durch Abschluss von Rahmenverträgen; oder
  • ohne Verwendung des elektronischen Beschaffungssystems ProZorro – durch Abschluss so genannter Direktverträge zwischen dem Auftraggeber (dasselbe, d.h. geschädigte Energieunternehmen) und dem Lieferanten.

In den meisten Fällen erfolgt die Auftragsvergabe im Rahmen eines offenen Ausschreibungsverfahrens unter Verwendung des elektronischen Systems ProZorro. Damit wird den Besonderheiten während des Kriegsrechts in der Ukraine Rechnung getragen.

Ab April 2024 sind die Vergabestellen berechtigt, unabhängig vom voraussichtlichen Auftragswert sogenannte „Eurotender“ durchzuführen. „Eurotender“ sind offene Ausschreibungen, die in zwei Phasen durchgeführt werden. In der ersten Phase werden nach Ablauf der Angebotsfrist alle Informationen der Bieter mit Ausnahme des Preises im System veröffentlicht. Anschließend werden die Angebote auf die Erfüllung der Anforderungen in den Ausschreibungsunterlagen geprüft – die so genannte „Präqualifikation“. Bieter, deren Angebote den Anforderungen der Ausschreibungsunterlagen entsprechen (d.h. die nicht wegen Nichterfüllung der Anforderungen ausgeschlossen werden), werden zur zweiten Phase zugelassen. Die zweite Stufe, die Auktion, findet nur unter den präqualifizierten Teilnehmern statt. Für diese Auktionen beträgt die Mindestfrist für die Abgabe von Angeboten 30 Kalendertage. Die Präqualifikation in der ersten Phase erfolgt innerhalb von 20 Werktagen (d.h. die maximale Frist für die Prüfung eines Angebots bei „Eurotender“ wird sofort auf 20 Werktage festgelegt, während bei offenen Ausschreibungen mit besonderen Merkmalen die Frist für die Prüfung 5 Werktage beträgt, diese jedoch vom Auftraggeber mit Begründung auf bis zu 20 Werktage verlängert werden kann). Wenn nach der Präqualifikation nur noch ein Bieter zur Auktion zugelassen ist, wird die Auktion automatisch annulliert.

Bei der Beschaffung von Ausrüstungen, die für den Wiederaufbau des ukrainischen Energiesektors benötigt werden, insbesondere Hochspannungsausrüstungen, werden derzeit in zunehmendem Maße gebietsfremde Anbieter (sog. Nicht-Residenten) herangezogen. Aus diesem Grund enthalten die Unterlagen für solche Ausschreibungen gesonderte Anweisungen für die Erstellung von Angeboten für ansässige und nicht ansässige Teilnehmer (Residenten bzw. Nicht-Residenten), insbesondere in Bezug auf:

  • Besonderheiten bei der Anforderung der elektronischen Signatur des Bieters auf dem Angebot;
  • Vorlage besonderer Unterlagen zur Bestätigung der Gründung (Errichtung, Registrierung) der teilnehmenden juristischen Person; und
  • Vorlage von Unterlagen zur Bestätigung der Erfüllung der technischen Anforderungen, der Berechnung des Angebotspreises usw.

Die Ausschreibungsunterlagen für diese Ausschreibungen sehen die Möglichkeit vor, dass ein Bieter-Nichtresident den Angebotspreis in einer Fremdwährung (in der Regel US-Dollar oder Euro) angeben kann. Das ProZorro-System sieht derzeit jedoch keine technische Möglichkeit vor, den Angebotspreis in den entsprechenden Feldern des elektronischen Teilnehmerkabinetts direkt in Fremdwährung einzugeben. Die Auktion selbst wird daher in UAH durchgeführt. Um dieses Problem zu lösen, müssen die Vergabestellen:

  • in den Ausschreibungsunterlagen spezielle Formeln für die Umrechnung des Angebotspreises in Hrywnja (UAH) festlegen;
  • die Anforderungen für die Anpassung (Änderung) des Preises in Hrywnja (UAH) zu einem bestimmten Datum festlegen; und
  • die entsprechenden Formeln für die Umrechnung des Angebotspreises in die jeweilige Währung auf der Grundlage der Auktionsergebnisse (der dann im Beschaffungsvertrag vorzuschreiben ist) festlegen.

Häufig weisen solche Formeln und Ansätze Mängel auf und bedürfen daher einer gesonderten Prüfung und ggf. Klarstellung durch die Vergabestelle oder werden sogar als diskriminierend oder mehrdeutig (ungenau) beanstandet.

Es ist darauf hinzuweisen, dass die ukrainische Regierung relevante Änderungen im Vergaberecht vorgenommen hat. Insbesondere wurde die Liste der Gründe für die Beschaffung von Waren, einschließlich Ausrüstungen für den Energiesektor, die ohne offene Ausschreibungen und/oder einen elektronischen Katalog für die Beschaffung von Waren durchgeführt werden können, präzisiert und etwas erweitert, zum Beispiel:

  • bei der Beschaffung von Waren, Arbeiten und Dienstleistungen im baulichen Bereich, von Reparatur- und sonstigen ingenieurtechnischen Leistungen zum Schutz kritischer Infrastruktureinrichtungen des Brennstoff- und Energiesektors;
  • bei der Beschaffung von Waren, Arbeiten und Dienstleistungen für Maßnahmen zum Schutz der Anlagen von Unternehmen, Einrichtungen und Organisationen des Elektrizitäts-, Atom-, Kohle-, Öl- und Gassektors sowie der kritischen Infrastruktureinrichtungen des Teilsektors Eisenbahnverkehr, Transport- und Postwesen, u.a. zum Schutz des Personals im Sinne der Errichtung und Organisation von Zivilschutzanlagen; für Wiederaufbau von Objekten, die durch die bewaffnete Aggression der Russischen Föderation zerstört oder beschädigt wurden, sowie für die Durchführung von vorrangigen Notreparaturen an Eisenbahninfrastrukturanlagen und die Reparatur von Antriebs- und Transportmitteln;
  • bei der Beschaffung von Gas-Kolbenanlagen, Gasturbinen-Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, Gasturbinenanlagen und Blockheizkraftwerken (deren Komponenten), bei deren Anmietung sowie bei der Beschaffung von Waren, Arbeiten und Dienstleistungen im Zusammenhang mit deren Errichtung und Inbetriebnahme zur Vorbereitung der Heizperiode 2024/25.

2. Öffentliche Beschaffungen von Energiedienstleistungen (Energieservice)

Unter Energiedienstleistungen (Sammelbegriff – Energieservice) versteht man eine Reihe von Energiesparmaßnahmen, die darauf abzielen, den Energieverbrauch des Energiedienstleistungskunden und die Kosten für die Bezahlung von Brennstoffen und Energieressourcen sowie von Wohnungs- und Kommunaldienstleistungen im Vergleich zum Verbrauch (Kosten) ohne diese Maßnahmen zu senken. Die Beschaffung von Energiedienstleistungen wird gesondert durch das Gesetz der Ukraine „Über die Einführung neuer Investitionsmöglichkeiten, die Gewährleistung der Rechte und rechtlichen Interessen von Unternehmen bei der umfassenden Energiemodernisierung“ geregelt.

Gleichzeitig hat die ukrainische Regierung die Besonderheiten der öffentlichen Beschaffung von Energiedienstleistungen im Rahmen des Kriegsrechts definiert. Auf diese Weise sollten bestimmte Fragen der Auftragsvergabe vereinfacht und geklärt werden, um den Erfordernissen der Verbesserung der Energieeffizienz der Infrastruktur gerecht zu werden.

Wichtige Komponenten (Bedingungen, Indikatoren, Kriterien) der Ausschreibungsunterlagen, des Angebots und des Beschaffungsprozesses generell bei der Beschaffung von Energiedienstleistungen sind:

  • Basisverbrauch von Brennstoffen und Energieressourcen sowie von Wohn- und kommunalen Dienstleistungen;
  • jährliche Kosteneinsparungen des Energiedienstleistungskunden, Effizienz des Energieservicevertrags usw.

Die öffentliche Beschaffung von Energiedienstleistungen hat ihre eigenen Besonderheiten, z.B.:

  • der oben genannte jährliche Referenzwert wird vom Exekutivorgan der lokalen Räte oder vom zentralen Exekutivorgan genehmigt;
  • die wesentlichen Bedingungen des Energieservicevertrags müssen von den zuständigen Behörden genehmigt werden. Wenn die wesentlichen Bedingungen des Energieservicevertrags nicht innerhalb der festgelegten Frist genehmigt werden, ist dies laut Gesetz ein Grund für die Annullierung der Ausschreibung.

Im Rahmen der vereinfachten Verfahren während des Kriegsrechts ist der jährliche Referenzwert jedoch nicht genehmigungspflichtig. Darüber hinaus ist der Energiedienstleistungskunde nach der Entscheidung, einen Energieservicevertrag mit dem erfolgreichen Bieter abzuschließen, nicht verpflichtet, die wesentlichen Vertragsbedingungen der Staatlichen Agentur für Energieeffizienz zur Genehmigung vorzulegen, wenn es sich um eine staatliche Einrichtung handelt, oder dem zuständigen Gemeinderat, wenn es sich um eine kommunale Einrichtung handelt. Darüber hinaus kann der Auftraggeber die Ausschreibung nicht wegen Nichtgenehmigung der wesentlichen Bedingungen des Energiedienstleistungsvertrages aufheben.

Man kann also von einer erheblichen Vereinfachung und Deregulierung bestimmter Phasen des Verfahrens zur Beschaffung von Energiedienstleistungen unter Kriegsrecht sprechen.

3. Öffentliche Beschaffungen mit internationaler Unterstützung für den Energiesektor der Ukraine

Um die dringenden Bedürfnisse des ukrainischen Energiesektors, einschließlich des Wiederaufbaus der durch die russische Invasion beschädigten Infrastruktur, zu decken, hat die Europäische Kommission in Zusammenarbeit mit dem ukrainischen Energieministerium den Ukraine Energy Support Fund (Energiefonds) eingerichtet. Der Energiefonds ermöglicht es Regierungen, internationalen Entwicklungsorganisationen und Kooperationspartnern, Unternehmen des ukrainischen Energiesektors beim Wiederaufbau beschädigter Anlagen finanziell zu unterstützen.

Die Beschaffung der für den ukrainischen Energiesektor erforderlichen Ausrüstung aus diesem Fonds erfolgt auf wettbewerblicher Basis durch eine unabhängige Beschaffungsagentur – das Energiesicherheitsprojekt der U.S. Agency for International Development (USAID ESP ‒ Energy Security Project).

USAID führt im Rahmen des Energiesicherheitsprojektes Beschaffungen für ukrainische Energieunternehmen durch, deren Anträge die Förderkriterien erfüllen. Anschließend zahlt das Sekretariat der Energiegemeinschaft als Treuhänder des Energiefonds für die Ukraine (ein Treuhänder, der den Fonds im Namen des ukrainischen Energieministeriums verwaltet) die Mittel an die ausgewählten Lieferanten aus.

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