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3. August 2025

Öffentlich-private Partnerschaften in der Ukraine: Neue Regeln

Einleitung
1. Struktur des neuen Ansatzes
2. Wichtigste Neuerungen
2.1. Abschaffung der privaten Initiative
2.2. Vereinfachung der Verfahren für kleine Projekte
2.3. Einführung einer elektronischen Plattform
2.4. Hybride Finanzierungsmodelle
2.5. Verfügbarkeitszahlungen (Availability Payments)
2.6. Neue Anwendungsbereiche für ÖPP
2.7. Erweiterung der Liste öffentlicher Partner
3. Besonderheiten der Einführung
4. Auswirkungen für ausländische Investoren
5. Praktische Empfehlungen

 

Am 31. Juli 2025 wurde in der Ukraine ein neues Gesetz über öffentlich-private Partnerschaften verabschiedet (nachstehend „Gesetz“). Das Gesetz tritt nach drei Monaten, d. h. am 31. Oktober 2025, in Kraft (einige Bestimmungen treten bereits am 1. August 2025 in Kraft).

Die neuen Regeln sollen ein wirksames Modell zur Gewinnung privater Investitionen in die öffentliche Infrastruktur schaffen.

Die derzeitige Regulierung öffentlich-privater Partnerschaften (nachstehend „ÖPP”) hat sich in der Praxis als bürokratisch und langsam erwiesen.

Zu den Faktoren, die den Start von Projekten verlangsamten, gehörten:

  • kompliziertes und langwieriges Verfahren zur Genehmigung des ÖPP-Konzepts,
  • unklare Risikoverteilung zwischen den Partnern,
  • schwacher Schutz der Investorenrechte im Falle einer Gesetzesänderung,
  • unzureichende Transparenz bei der Auswahl von Projekten und Partnern,
  • fehlende vollständige Integration in das öffentliche Beschaffungswesen usw.

Darüber hinaus hat der Krieg die Notwendigkeit einer zusätzlichen Regulierung von Sektoren aufgezeigt, die heute für die Ukraine von entscheidender Bedeutung sind: dazu zählen die Verteidigungsindustrie, die medizinische Infrastruktur, der Wohnungsbau usw.

1. Struktur des neuen Ansatzes

Gemäß den Änderungen wird eine öffentlich-private Partnerschaft als eine Form der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Partnern auf vertraglicher Basis definiert. Diese Zusammenarbeit sieht Folgendes vor:

  • Gewährleistung der vollständigen oder teilweisen Finanzierung, Errichtung und/oder des Baus (Neubau, Rekonstruktion, Restaurierung, Generalüberholung, technische Umrüstung) sowie der technischen Wartung des ÖPP-Objekts durch den privaten Partner,
  • lange Laufzeit der ÖPP (mit Ausnahme von ÖPP-Projekten im Wohnungsbau, deren Laufzeit weniger als fünf Jahre betragen kann), und
  • Übertragung eines Teils der Risiken, die während der Umsetzung des ÖPP-Projekts entstehen, auf den privaten Partner.

Dabei steht das Recht zur formellen Einleitung einer ÖPP nur einem öffentlichen Partner zu, wobei es sich dabei um eine staatliche Behörde, eine lokale Selbstverwaltung oder ein Unternehmen des öffentlichen Sektors handeln kann.

2. Wichtigste Neuerungen

2.1. Abschaffung der privaten Initiative

Gemäß der neuen Fassung des Gesetzes hat ausschließlich der öffentliche Partner das Recht, ein ÖPP-Projekt einzuleiten. Das bedeutet, dass nur staatliche Behörden, lokale Selbstverwaltungen oder Wirtschaftsunternehmen des öffentlichen Sektors formal ein ÖPP-Verfahren einleiten können. Private Unternehmen können lediglich Vorschläge für Projekte einreichen, die keine rechtlichen Konsequenzen haben, solange sie nicht vom öffentlichen Partner genehmigt wurden.

Das heißt, dass alle Projekte nun von staatlicher oder kommunaler Seite ausgehen müssen, auch wenn die Idee oder die technische Lösung aus der Wirtschaft stammt.

Dementsprechend müssen private Investoren ihren Fokus von institutionellen Initiativen auf einen frühzeitigen Dialog mit öffentlichen Partnern, die Unterstützung strategischer Ausrichtungen, die zu den Listen der Wiederaufbauprojekte gehören, sowie die Bereitstellung von technischem und finanziellem Fachwissen verlagern.

2.2. Vereinfachung der Verfahren für kleine Projekte

Eine der praktikabelsten Neuerungen ist die Vereinfachung der Vorbereitung von ÖPP-Projekten mit einem Wert von bis zu 5,38 Millionen Euro (ÖPP-Projekte unterhalb des Schwellenwerts). Laut Gesetz können solche Projekte ohne die Erstellung einer vollständigen technisch-wirtschaftlichen Begründung durchgeführt werden. Es reicht aus, eine Konzeptnotiz einzureichen. Das senkt die Kosten für die Vorbereitungsphase erheblich und beschleunigt die Entscheidungsfindung durch öffentliche Partner.

Diese Änderung ist besonders wichtig für Gemeinden, die lokale Sozial- oder Verkehrsinfrastrukturprojekte unter Einbeziehung der Wirtschaft realisieren möchten. Das im Gesetz vorgesehene vereinfachte Verfahren kann auch auf Wiederaufbauinitiativen angewendet werden, die den genannten Schwellenwert nicht überschreiten.

Darüber hinaus gilt für Projekte, die in bestimmten nationalen oder lokalen Listen für vorrangigen Wiederaufbau aufgeführt sind, vorübergehend für die Dauer des Kriegsrechts und für einen Zeitraum von sieben Jahren nach dessen Ende ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren.

2.3. Einführung einer elektronischen Plattform

Das Gesetz sieht die Schaffung einer einheitlichen elektronischen Plattform für die Verwaltung aller ÖPP-Verfahren vor. Diese soll von der Projektausschreibung bis zum Abschluss des Auswahlverfahrens und dem Vertragsabschluss alle Schritte abdecken. Bis zur vollständigen Inbetriebnahme der Plattform (spätestens am 1. Januar 2027) werden die entsprechenden Informationen auf der Website der zuständigen Behörde veröffentlicht.

Diese Regelung bringt das ukrainische System näher an die EU-Standards heran, gewährleistet Transparenz und Zugänglichkeit und verringert das Korruptionsrisiko. Investoren haben die Möglichkeit, sich elektronisch über alle laufenden und geplanten Projekte sowie die Teilnahmebedingungen zu informieren und Unterlagen einzureichen.

2.4. Hybride Finanzierungsmodelle

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Zulassung zur Verwendung von Spendengeldern und internationaler technischer Hilfe sowohl in der Vorbereitungsphase als auch bei der Umsetzung von ÖPP-Projekten. Das Gesetz schreibt explizit vor, dass die Finanzierung aus Mitteln internationaler Organisationen, ausländischer Regierungen und Stiftungen erfolgen kann. Dadurch werden die Voraussetzungen für eine hybride Finanzierung geschaffen, also eine Kombination aus privatem Kapital, staatlicher Unterstützung und Hilfsgeldern.

Dieser Ansatz ist insbesondere bei begrenzten Budgets und hohen Risiken relevant. Private Partner haben so die Möglichkeit, sich mit weniger Eigenkapital an Projekten zu beteiligen, wodurch sich die Rentabilität solcher Transaktionen potenziell erhöht.

2.5. Verfügbarkeitszahlungen (Availability Payments)

Das aktualisierte Gesetz führt ein Instrument ein, das in der internationalen Praxis als „Availability Payments“ bekannt ist. Dieser Mechanismus sieht eine Vergütung für private Partner auf der Grundlage der Ergebnisse ihrer Tätigkeit vor und nicht auf der Grundlage der direkten Einnahmen aus dem Betrieb der gebauten Anlage. Dieses Modell ist besonders nützlich, wenn Infrastrukturprojekte nicht genügend Einnahmen aus Gebühren oder Nutzungsentgelten erzielen, um die Betriebskosten und den Schuldendienst zu decken, die Anlage für die Öffentlichkeit aber von entscheidender Bedeutung ist.

Bei diesen Modellen gilt Folgendes:

  • der private Partner ist für die Planung, den Bau, die Finanzierung, den Betrieb und die Wartung der Infrastruktur verantwortlich,
  • der öffentliche Sektor leistet Zahlungen auf der Grundlage der „Verfügbarkeit” der Anlage und der Einhaltung bestimmter Effizienzstandards, und
  • der Staat behält die Kontrolle über die Preisgestaltung (z. B. Fahrpreise) oder Nutzungsgebühren, sofern zutreffend, während der private Partner einen Anreiz hat, die vertraglich vereinbarten Leistungs- und Qualitätskennzahlen einzuhalten.

Mithilfe dieses Mechanismus kann das Problem der momentanen Knappheit an Haushaltsmitteln gelöst und die Umsetzung langfristiger sozialer Projekte (Krankenhäuser, Schulen, Kläranlagen) realisiert werden.

Investoren ist während der gesamten Vertragslaufzeit ein stabiler Geldfluss gewährleistet, sofern die Verpflichtungen eingehalten werden.

2.6. Neue Anwendungsbereiche für ÖPP

Das neue Gesetz formalisiert die Umsetzung von ÖPP-Projekten in den folgenden Bereichen:

  • Verteidigungsindustrie,
  • Wohnungsbau mit Übertragung des Eigentumsrechts an private Partner;
  • Gesundheitswesen und Bildung (Bau von Einrichtungen, Erbringung von Dienstleistungen), und
  • Energie- und Abfallwirtschaft, unter anderem unter Verwendung von Hybridfinanzierungen.

Dies erweitert die Liste der Branchen, in denen ausländisches Kapital in Partnerschaft mit dem Staat investiert werden kann – insbesondere über Konsortien oder die Gründung lokaler Niederlassungen. Das Gesetz sieht dabei ausdrücklich vor, dass private Partner Eigentumsrechte an Wohninfrastrukturobjekten erwerben können, die im Rahmen von ÖPP gebaut wurden.

2.7. Erweiterung der Liste öffentlicher Partner

Staatliche und kommunale Unternehmen gehören von nun an zu den öffentlichen Partnern. Dadurch erhalten sie das Recht, ÖPP-Projekte in eigenem Namen zu initiieren und umzusetzen. Dies ist besonders für Unternehmen wichtig, die Infrastrukturprojekte in ihrer Bilanz haben, die modernisiert werden müssen, aber nicht über ausreichende Finanzmittel verfügen.

3. Besonderheiten der Einführung

Die Änderungen treten drei Monate nach der offiziellen Veröffentlichung des Gesetzes in Kraft.

Für die vollständige Umsetzung des neuen ÖPP-Systems ist darüber hinaus die Verabschiedung einer Reihe zusätzlicher untergeordneter Rechtsakte erforderlich, darunter insbesondere:

  • Vorschriften für den Betrieb der elektronischen Plattform,
  • Vorlagen für Ausschreibungsunterlagen,
  • Verfahren zur Führung von Registern,
  • Methoden zur Bewertung von Projekten,
  • Vertragsformulare usw.

Das ukrainische Ministerkabinett muss die entsprechenden sekundären Rechtsvorschriften innerhalb von drei bis zwölf Monaten nach Inkrafttreten des Hauptgesetzes verabschieden.

Bis zum Abschluss dieser Normungsarbeit werden viele Verfahren voraussichtlich weiterhin hybrid bleiben. So werden die Phasen der Veröffentlichung von Bekanntmachungen und der Einreichung von Anträgen beispielsweise vorerst weiterhin über die Website der zuständigen Behörde und nicht über das sich noch in der Entwicklung befindende elektronische System abgewickelt.

4. Auswirkungen für ausländische Investoren

Das neue Gesetz schafft für ausländische Unternehmen, die eine Beteiligung an ukrainischen Infrastrukturprojekten in Betracht ziehen, eine neue Logik der Zusammenarbeit mit dem Staat. Es verändert die Einstiegspunkte, die Anforderungen an die Strukturierung von Verträgen, die Erwartungen an Finanzmodelle und die Kommunikationskanäle mit öffentlichen Partnern.

Private Unternehmen können ÖPP-Projekte nicht mehr eigenständig initiieren. Diese Möglichkeit wird durch das Gesetz ausdrücklich der öffentlichen Seite überlassen. Vorschläge oder Konzepte, die von privaten Akteuren eingereicht werden, können vom öffentlichen Partner angenommen, überarbeitet oder abgelehnt werden.

Alle ÖPP-Verträge und Konzessionen unterliegen ausschließlich dem ukrainischen Recht. Das Gesetz verbietet Schiedsverfahren zur Streitbeilegung nicht, jedoch unterliegen sowohl der Gegenstand der Regulierung der Verpflichtungen selbst als auch das Verfahren zu ihrer Umsetzung dem ukrainischen Recht.

Das Verbot, Änderungen an der vereinbarten Risikoverteilung vorzunehmen, macht eine klare Definition der Risikostruktur (Baurisiken, Betriebsrisiken, Währungsschwankungen, Gesetzesänderungen usw.) bereits in der Abstimmungsphase erforderlich.

Für ausländische Unternehmen, die Erfahrung in der Zusammenarbeit mit staatlichen Unternehmen in ihren eigenen Rechtsordnungen haben, ist es eine wichtige Neuerung, dass Unternehmen des öffentlichen Sektors nun als öffentliche Partner in ÖPP auftreten können. Dadurch ist die Umsetzung von Projekten in Zusammenarbeit mit solchen Subjekten möglich, selbst wenn Ministerien oder Kommunen nicht die direkten Auftraggeber sind.

5. Praktische Empfehlungen

Angesichts dieser Änderungen im Regulierungssystem für Öffentlich-Private Partnerschaften ist es für ausländische Investoren ratsam:

  • bereits in der Planungsphase von Projekten den Kontakt zu den Behörden aufzunehmen,
  • technische Lösungen oder Finanzmodelle vorzuschlagen, die vom öffentlichen Partner angepasst werden können,
  • Zulassungen von Entwicklungsplänen, staatlichen Strategien und Listen vorrangiger Objekte zu verfolgen, insbesondere im Bereich der Wiederaufbauarbeiten,
  • die Tagesordnung durch öffentliche Mechanismen (durch die Teilnahme an Arbeitsgruppen, Einreichung offizieller Anträge, Bereitstellung von Fachwissen auf Anfrage der Behörden usw.) zu beeinflussen,
  • über lokale juristische Expertise für den Abschluss von Verträgen, die Bewertung steuerlicher Auswirkungen und das Risikomanagement zu verfügen,
  • Investitionsmöglichkeiten in neuen Sektoren (Verteidigung, Bildung, Gesundheitswesen usw.) zu analysieren, und
  • Änderungen in der Regulierung, insbesondere hinsichtlich der Verabschiedung spezieller Rechtsakte durch das ukrainische Ministerkabinett, aufmerksam zu verfolgen.
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