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Der Wiederaufbau der Ukraine: Bauprojekte
Einleitung
1. Aktueller Status
2. Beantragung von Baulizenzen
3. Umsetzung von experimentellen Bauprojekten
4. Übernahme von ukrainischen Bauunternehmen
Für den Wiederaufbau der Ukraine nach Kriegsende sind erhebliche globale finanzielle Anstrengungen erforderlich. Dabei wird besonderes Augenmerk auf die Wiederherstellung der zerstörten ukrainischen Infrastruktur, Energieanlagen, einschließlich von alternativen Energieanlagen sowie von ganzen Wohnvierteln, Städten, Krankenhäusern, Schulen usw. gelegt.
Ausländische Bauunternehmen prüfen bereits aktiv, wie sie in den ukrainischen Markt eintreten können, um sich an Infrastrukturprojekten, am Bau von Autobahnen sowie von einzelnen Industrie- und Energieanlagen, Silos zur Getreidespeicherung, Wohnkomplexen und Einkaufszentren zu beteiligen. Dabei müssen die ukrainischen gesetzlichen Vorschriften und die aktuelle Situation bei der Erteilung der erforderlichen Lizenzen berücksichtigt werden.
1. Aktueller Status
Derzeit ist das Genehmigungssystem im ukrainischen Baubereich nicht vollständig geregelt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Ukraine im Jahr 2020 mit einer umfassenden Reform ihres Bausektors begonnen hat, um diesen an die europäische Praxis anzupassen. Aufgrund einer Reihe von Umständen (der wichtigste davon war die umfassende russische Invasion in die Ukraine am 24. Februar 2022) wurde die Reform jedoch nicht vollständig durchgeführt.
Vor allem wurde das Verfahren zur Erteilung von Lizenzen für Bautätigkeiten eingestellt. Stattdessen sind Bauunternehmen verpflichtet, unter ihren Mitarbeitern zertifizierte Fachkräfte (Ingenieure und Architekten) zu beschäftigen, welche für Bauvorhaben verantwortlich sind und welche die Bauüberwachung durchführen.
Dieser Ansatz entspricht grundsätzlich den Erfahrungen der Europäischen Union im Bereich der Bautätigkeiten. Die Idee ist, dass sich gerade Fachleute mit der Entwicklung von Baudokumenten und Bauprojekten befassen und dafür verantwortlich sein müssen. Dementsprechend sollten Fachkräfte mit entsprechenden Zertifikaten eine Voraussetzung sein, wenn es um die Errichtung von Bauwerken mit entsprechendem Komplexitätsgrad und/oder Folgenklasse geht. Und jegliche Haftungen und Sanktionen sollten den Fachkräften auferlegt werden (durch ihre Unternehmen oder persönlich).
Die entsprechenden Genehmigungen für die Errichtung von Architekturobjekten oder für sonstige Bauarbeiten in der Ukraine werden gerade auf der Grundlage der von diesen Fachkräften erstellten Dokumente erteilt. Demnach ist es nicht sinnvoll, einzelne Unternehmen in einem solchen System zu lizenzieren. Dies führt zu unnötigen bürokratischen Verfahren und eröffnet den Weg für verschiedene Machenschaften und Manipulationen.
Daher müsste die Lizenzierung von Bauunternehmen durch die Zertifizierung der entsprechenden Fachkräfte ersetzt werden: mit staatlichen Prüfungen und Kommissionen, wobei der Komplexitätsgrad von Bauwerken zu bestimmen ist, bei welchen die Fachkräfte zur Projektentwicklung zugelassen wurden. Es würde auch bei der Einführung des Reputationsinstituts helfen – das heißt, während des Baus kann der Kunde (der Investor oder ein anderer Interessent) zunächst nicht das Bauunternehmen, sondern die verantwortlichen Personen analysieren.
Allerdings sind die notwendigen gesetzlichen Regelungen noch nicht verabschiedet, weshalb sich heute die folgende Situation entwickelt hat:
- gemäß der ukrainischen Gesetzgebung muss ein ukrainisches Unternehmen über eine Lizenz zur Bauausführung verfügen. Derzeit ist es jedoch nicht möglich, eine solche Lizenz zu erhalten, weil es kein Verfahren zur Erteilung solcher Lizenzen gibt. Daher kann der Bau derzeit nur von den Unternehmen durchgeführt werden, welche bereits über die entsprechende Lizenz verfügen;
- die neuen Zertifizierungsverfahren für Fachkräfte wurden nur teilweise verabschiedet (wobei die alten Verfahren bereits abgeschafft worden sind), weshalb es auch äußerst schwierig ist, vollwertige Lizenzen bzw. Zertifikate zu erhalten.
2. Beantragung von Baulizenzen
Um die Lücken in der ukrainischen Gesetzgebung zu schließen, hat das Ministerkabinett der Ukraine mit der Verordnung Nr. 314 vom 18. März 2022 ein vorübergehendes (für die Dauer des Kriegszustands) Verfahren zur Beantragung von Genehmigungsdokumenten verabschiedet, unter anderem im Bausektor. Allerdings können bestehende Probleme dadurch nur teilweise und vorübergehend gelöst werden.
Vor allem muss der Bauherr innerhalb von 3 Monaten nach Ende des Kriegszustands (oder früher, wenn entsprechende Vorschriften erlassen werden) die erforderlichen Genehmigungen einholen, um seine Geschäftsaktivitäten ordentlich betreiben zu können. Derzeit ist es nicht bekannt, wie die entsprechenden Verfahren aussehen werden, aber aufgrund von vorläufigen Einschätzungen der ukrainischen Bedürfnisse kann davon ausgegangen werden, dass die ukrainische Gesetzgebung in die folgende Richtung gehen wird: Zertifizierung von ukrainischen Fachkräften und die Anerkennung von Fachkräften, deren Zertifikate von anderen Staaten (insbesondere von Staaten, die Mitglieder der EU bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums sind) ausgestellt wurden. Daher besteht die Möglichkeit, dass die Objekte als gebaut anerkannt werden, ohne dass die entsprechenden Vorschriften eingehalten werden, und zwar mit den entsprechenden Konsequenzen.
Außerdem können durch dieses Verfahren auch Probleme mit anderen Genehmigungsdokumenten nicht gelöst werden, dabei geht es beispielsweise um Baugenehmigungen und die Inbetriebnahme von fertigen Objekten. Besonders akut ist das Problem der Einhaltung der Fristen für die Ausstellung von Genehmigungen durch die zuständigen Behörden (es geht z. B. um die Staatliche Architektur- und Stadtplanungsinspektion der Ukraine, die früher als Staatliche Architektur- und Bauinspektion bezeichnet wurde). Die Vereinfachung der Verfahren bei der Einreichung von Dokumenten und die elektronische Einreichung von Dokumenten über ein speziell eingerichtetes Portal haben die Probleme nur teilweise gelöst.
Um diese Lücken während des Kriegszustands zu schließen, wurde während des Kriegszustands die Verordnung des Ministerkabinetts der Ukraine Nr. 406 vom 7. Juni 2017 „Über die Bestätigung der Liste der Bauarbeiten, für welche keine Dokumente erforderlich sind, die das Recht auf ihre Ausführung begründen, und nach deren Abschluss das Bauobjekt nicht mehr in Betrieb genommen werden muss“ wieder in Kraft gesetzt. Das Verzeichnis der Bauarbeiten gemäß dieser Verordnung wurde für die Zeit des Kriegsrechts erweitert.
Die Erweiterung des Verzeichnisses und die Änderung der Reihenfolge bei der Ausführung der Bauarbeiten zielen, gemäß der Verordnung, in erster Linie auf die Reparatur und/oder den Wiederaufbau von kritischen Infrastrukturanlagen sowie auf deren Schutz ab.
3. Umsetzung von experimentellen Bauprojekten
Mit der Verordnung Nr. 1482 vom 27. Dezember 2022 genehmigte das Ministerkabinett der Ukraine das Verfahren zur Umsetzung von experimentellen Projekten für Bau, Reparatur und andere Ingenieur- und technische Maßnahmen zum Schutz von kritischen Infrastrukturanlagen im Kraftstoff- und Energiebereich.
Gemäß dieser Verordnung werden während der Zeit des Kriegszustands in der Ukraine oder in einigen ihrer Regionen Bau-, Reparatur- und andere Ingenieur- und technische Maßnahmen zum Schutz von kritischen Infrastrukturanlagen im Kraftstoff- und Energiebereich ohne Grundstückausweisung sowie ohne Einhaltung der entsprechenden Stadtplanungsdokumentation, ohne Einholung von städtebaulichen Bedingungen und Beschränkungen für die Bebauung von Grundstücken sowie ohne Einholung von Gutachten zur Projektdokumentation für den Bau von Objekten, ohne Erlangung des Rechts zur Durchführung von Bauarbeiten sowie ohne Inanspruchnahme des Einheitlichen Staatlichen Elektronischen Systems im Bereich Bau und Registrierung von Eigentumsrechten an Grundstücken durchgeführt.
Daher konnten ab Februar 2022 nur solche Unternehmen ihre Bauarbeiten in der Ukraine durchführen, die eine gültige und vor 2020 erworbene Baulizenz besaßen.
4. Übernahme von ukrainischen Bauunternehmen
Eine Alternative zum Eintritt in den ukrainischen Markt könnte für ausländische Investoren die Übernahme von ukrainischen Bauunternehmen mit den entsprechenden Baulizenzen sein. In diesem Fall empfiehlt es sich, eine juristische Due Diligence-Prüfung für solche ukrainischen Unternehmen durchzuführen, um mögliche Risiken und Schulden der ukrainischen Unternehmen gegenüber Dritten zu ermitteln.
Derzeit ist noch unklar, ob ausländische zertifizierte Baufachkräfte in der Ukraine anerkannt werden und wie das Verfahren für eine solche Anerkennung ablaufen wird. Es lässt sich jedoch voraussagen, dass die Ukraine an der Beteiligung solcher Fachkräfte und ausländischer Unternehmen am Wiederaufbau von beschädigten Infrastruktur-, Wohn-, Gewerbe- und Industriegebäuden interessiert ist. Dementsprechend ist es vorhersehbar, dass entweder die Anerkennung von Fachkräften/Unternehmen aus der Europäischen Union zustande kommt oder ein vereinfachtes Verfahren zur Erlangung von Genehmigungen/Zertifikaten für solche Fachkräfte und Unternehmen eingeführt wird.