Eigentumsvorbehalt bei Lieferverträgen für die Ukraine
1. Besonderheiten des Eigentumsübergangs und des Eigentumsvorbehalts
2. Voraussetzungen für den Eigentumsübergang und den Eigentumsvorbehalt
3. Zeitpunkt des Eigentumsübergangs
4. Risikoübergang vom Verkäufer auf den Käufer
5. Was ist zu beachten?
1. Besonderheiten des Eigentumsübergangs und des Eigentumsvorbehalts
In der Ukraine weist der Eigentumsübergang im Rahmen von Lieferverträgen eine Reihe von Besonderheiten auf, die zu wichtigen rechtlichen Konsequenzen führen können. Die Übertragung einer Ware durch den Verkäufer in das Eigentum des Käufers bezieht sich insbesondere auf:
- Festlegung, wer alle mit der Zerstörung oder Beschädigung der Ware verbundenen Risiken trägt und alle Vorteile, die mit der Ware verbunden sind, erhält;
- Entstehung, Erfüllung und Beendigung von Verpflichtungen aus Lieferverträgen und Haftung für deren Nichterfüllung;
- Bestimmung des Rechts zur Erhebung von Ansprüchen bezüglich der Ware gegenüber Dritten sowie des Rechts, mit der Ware gegenüber Dritten zu haften;
- Bestimmung von Steuerverpflichtungen sowie Zoll- und Bankverfahren; und
- Bestimmung, wer haftet, wenn Dritte einen Schaden durch die Ware erlitten haben.
Ein klares Verständnis, wie der Mechanismus des Eigentumsübergangs in Lieferverträgen funktioniert und welche Besonderheiten er in der Ukraine aufweist, ermöglicht unter anderem:
- die Logistik bei Lieferungen richtig zu gestalten;
- Steuerverpflichtungen zu optimieren;
- Risiken zu vermeiden, die mit der Einhaltung von Zoll- und Steuerverfahren verbunden sind;
- eigene Stellungnahmen bei Verhandlungen zusammenzufassen und Stellungnahmen von Vertragspartnern begründet zu korrigieren; und
- die Versicherungspolitik für Liefergeschäfte und die Zusammenarbeit mit Versicherungsgesellschaften effektiv aufzubauen.
2. Voraussetzungen für den Eigentumsübergang und den Eigentumsvorbehalt
Die ukrainische Gesetzgebung und die Praxis ihrer Anwendung bestimmen die folgenden Grundbedingungen für den Übergang des Eigentums an Waren vom Verkäufer auf den Käufer im Rahmen von Lieferverträgen:
- die Ware muss identifizierbar sein;
- der Verkäufer muss zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs als Eigentümer der Ware auftreten; und
- der Verkäufer beabsichtigt, das Eigentumsrecht zu übergeben, und der Käufer beabsichtigt, dieses anzunehmen.
Diese Voraussetzungen sind grundlegend, um weiterhin den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs für Waren in Lieferverträgen in der Ukraine zu ermitteln. Sie bestimmen unter anderem auch alle Verfahren und deren Folgen, die mit der Registrierung eines solchen Übergangs verbunden sind.
3. Zeitpunkt des Eigentumsübergangs
Der Zeitpunkt des Übergangs der Eigentumsrechte an Waren gilt als entscheidender Parameter für die meisten Rechtsfolgen, die für die Parteien von Lieferverträgen eintreten können.
Die allgemeine Regel für den vertraglichen Eigentumsübergang sowie den Eigentumsvorbehalt in der Ukraine ist im Zivilgesetzbuch der Ukraine festgelegt. Aus den Bestimmungen des Zivilgesetzbuches folgt, dass das Eigentumsrecht beim Käufer dann entsteht, sobald die Ware an ihn übergeben worden ist. Als Warenübergabe gilt dabei sowohl die unmittelbare Aushändigung der Ware an den Käufer, als auch die Aushändigung der Ware an einen Spediteur zum Versand an den Käufer sowie die Aushändigung eines Warenbegleitdokuments (z.B. eines Konnossements) an den Käufer.
Das Zivilgesetzbuch der Ukraine schreibt allerdings auch vor, dass der Zeitpunkt des Eigentumsübergangs auch auf andere Weise bestimmt werden kann, nämlich durch die Vertragsparteien (das Eigentumsrecht kann beispielsweise an den Käufer erst nach vollständiger Bezahlung der Ware übergehen), oder dieser Zeitpunkt kann gesetzlich festgelegt werden. In Bezug auf Lieferverträge bietet die ukrainische Gesetzgebung den Vertragsparteien zahlreiche Möglichkeiten, den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs für vertragliche Waren sowie den Eigentumsvorbehalt selbständig zu regeln.
4. Risikoübergang vom Verkäufer an den Käufer
Gemäß den Bestimmungen des Zivilgesetzbuches der Ukraine trägt der Eigentümer das Risiko einer zufälligen Zerstörung und einer zufälligen Beschädigung seines Eigentums, sofern vertraglich oder gesetzlich nichts Anderes bestimmt ist. Wie oben erwähnt, ist es in der Ukraine gesetzlich vorgeschrieben, dass der Zeitpunkt der Entstehung des Eigentumsrechts beim Käufer an den Zeitpunkt der Warenübergabe gebunden ist.
Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf stellt eine allgemeine Regel für den Risikoübergang auf, darunter:
- das Risiko geht auf den Käufer über, wenn er die Ware übernimmt, oder, falls er dies nicht rechtzeitig tut, geht das Risiko auf ihn ab dem Zeitpunkt über, wenn die Ware ihm zur Verfügung gestellt worden ist und er eine Vertragsverletzung durch die Nichtannahme der Lieferung begeht;
- wenn der Käufer verpflichtet ist, die Ware nicht an dem Ort, wo sich der Standort des Verkäufers befindet, sondern an einem anderen Ort zu übernehmen, vollzieht sich der Risikoübergang zu dem Zeitpunkt, wenn die Lieferfrist eingetreten ist und der Käufer darüber informiert ist, dass die Ware für ihn an diesem Ort zur Verfügung steht;
- wenn der Kaufvertrag die Beförderung der Ware vorsieht und der Verkäufer nicht verpflichtet ist, diese an einem bestimmten Ort zu übergeben, geht das Risiko auf den Käufer dann über, sobald die Ware beim ersten Spediteur zur weiteren Übergabe an den Käufer abgegeben wird;
- wenn der Verkäufer verpflichtet ist, die Ware an den Spediteur an einem bestimmten Ort abzugeben, geht das Risiko auf den Käufer nicht über, bis die Ware an den Spediteur an diesem Ort abgegeben wird. Das Recht des Verkäufers, die Warenbegleitdokumente zurückzubehalten, hat dabei keine Auswirkung auf den Risikoübergang.
Zugleich geht das Risiko auf den Verkäufer nicht über, bis die Ware für die Vertragszwecke eindeutig identifiziert ist, und zwar durch Markierung, durch Abladepapiere, durch eine Mitteilung an den Käufer oder auf eine andere Weise.
Diesbezüglich gilt in der Ukraine eine allgemeine Regel bei Lieferverträgen, dass der Zeitpunkt des Risikoübergangs dem Zeitpunkt des Übergangs des Eigentumsrechts an die Ware gleichgesetzt wird. Dieser allgemeine Ansatz kann jedoch im Streitfall zu einer mehrdeutigen Auslegung führen. Um dies zu vermeiden, sollte Folgendes berücksichtigt werden:
- der Übergang der Risiken der Vermögensvernichtung und der Übergang des Eigentumsrechts stellen unterschiedliche rechtliche Konstruktionen dar. Der Zeitpunkt des Risikoübergangs und der Zeitpunkt des Eigentumsübergangs können zusammenfallen, aber auch nicht;
- der Zeitpunkt des Risikoübergangs kann getrennt vom Zeitpunkt des Eigentumsübergangs durch die Parteien in einem Liefervertrag nach freiem Ermessen geregelt werden;
- der Zeitpunkt des Risikoübergangs kann getrennt vom Zeitpunkt des Eigentumsübergangs aufgrund von speziellen gesetzlichen Vorschriften oder vereinheitlichten Regelungen geregelt werden.
Die Risiken gehen grundsätzlich mit dem Erwerb des Eigentumsrechts auf den Käufer über. In diesem Fall fallen der Zeitpunkt des Eigentumsübergangs und der Zeitpunkt des Risikoübergangs zusammen. Aber gemäß den einschlägigen Vorschriften des Zivilgesetzbuches der Ukraine geht das Risiko der zufälligen Vernichtung oder der zufälligen Beschädigung der Ware an den Käufer dann über, sobald die Ware an ihn übergeben worden ist, und das heißt, dass dies nicht unbedingt mit dem Eigentumsübergang zusammenfallen muss. Anderenfalls kann der Käufer zum Eigentümer der Ware werden, die ihm nicht übergeben worden ist und beim Verkäufer aufbewahrt wird, und in diesem Fall ist der Verkäufer verpflichtet, jede Verschlechterung der Ware zu verhindern.
Die Ware kann an den Käufer auch im Rahmen eines Liefervertrags übergeben werden, aber das Eigentumsrecht daran verbleibt beim Verkäufer, wobei die Frage des Risikoübergangs hinsichtlich des Warenverlusts direkt nicht geregelt wird. Die Ware kann vom Käufer während ihrer Beförderung gekauft werden, und in diesem Fall, wie die ukrainische Gesetzgebung vorschreibt, gehen die Risiken ab dem Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags auf den Verkäufer über, wobei die Frage des Eigentumsübergangs für Waren bzw. des Eigentumsvorbehalts wiederum direkt nicht geregelt wird.
Erwähnenswert ist auch die breite Anwendung von vereinheitlichten Regelungen in Lieferverträgen. Musterverträge enthalten, wenn es um die Bestimmung von Lieferbedingungen geht, oft nur Verweise, z.B. auf Incoterms. Und die Incoterms-Regeln haben mit der Frage des Eigentumsübergangs bzw. des Eigentumsvorbehalts überhaupt nichts zu tun, dort gibt es nur Regeln für den Risikoübergang.
5. Was ist zu beachten?
Im Allgemeinen sind die Parteien von Lieferverträgen in der Ukraine gesetzlich berechtigt, das Verfahren, die Registrierung und den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs vom Verkäufer auf den Käufer zu bestimmen. Gleichzeitig zeichnen sich die gesetzlichen Vorschriften dadurch aus, dass sie ziemlich unterschiedlich und allgemein sind, was im Streitfall zu einer mehrdeutigen Auslegung führen kann. Dies kann mannigfaltige Folgen mit sich bringen, sowohl für den Schutz von Interessen der Parteien bei Lieferverträgen im Sinne ihrer gegenseitigen vertraglichen Beziehungen, als auch für steuer- und zollrechtliche Verpflichtungen.
Um solche Folgen zu vermeiden, wäre es zweckmäßig, eine Reihe von Regeln einzuhalten – sowohl beim Abschluss von Lieferverträgen, als auch bei der Verhandlung von Bedingungen solcher Verträge mit ukrainischen Vertragsparteien und bei deren Ausführung. Angesichts dessen muss ein Liefervertrag in der Ukraine wie folgt sein:
- er muss den Eigentumsübergang bzw. den Eigentumsvorbehalt klar und getrennt vom Risikoübergang regeln. Dies ist besonders wichtig bei Verträgen, in welchen sich die Parteien auf vereinheitlichte Regeln (z.B. Incoterms) berufen. In solchen Regeln kann das Verfahren des Eigentumsübergangs bzw. des Eigentumsvorbehalts überhaupt nicht vorgesehen werden, und dieses muss separat geregelt werden;
- er muss den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs deutlich festlegen (z.B.: „Die Ware wird Eigentum des Käufers, sobald die Parteien das Übergabe- und Übernahmeprotokoll in der vertraglich vorgesehenen Weise unterzeichnen.“ Oder: „Die Ware wird Eigentum des Käufers, sobald der Käufer eine ordnungsgemäß erstellte Ausfertigung des Frachtbriefes erhält“, usw.);
- er muss eindeutig die Dokumente auflisten, die die Parteien als Nachweise für den Eigentumsübergang akzeptieren (z.B. ein Zahlungsauftrag oder ein anderes Bankdokument, das die Zahlung bestätigt, oder ein Übergabe- und Übernahmeprotokoll, das den tatsächlichen Erhalt der Waren durch den Käufer nachweist, usw.);
- er muss das Verfahren zur Ausfertigung und Übergabe von Dokumenten regeln, die den Eigentumsübergang bescheinigen (z.B. die Verpflichtung der Parteien zur Unterzeichnung eines Übergabe- und Übernahmeprotokolls beim tatsächlichen Erhalt der Ware; die Verpflichtung des Warenversenders zur Übergabe des Konnossements an den Käufer innerhalb einer bestimmten Frist; die Verpflichtung des Käufers zur Übersendung eines Zahlungsnachweises an den Verkäufer, usw.);
- er muss die Fälle regeln, in denen es aus dem einen oder anderen Grund unmöglich ist, einen Eigentumsübergang bzw. einen Eigentumsvorbehalt zu formalisieren, und er muss die Handlungen der Parteien für solche Fälle bestimmen. Dies ist besonders wichtig während des Krieges in der Ukraine, wenn die Erstellung von erforderlichen Dokumenten durch objektive Umstände verhindert werden kann, wobei die Frage des Eigentums an der Ware tatsächlich ungeklärt bleibt.
Darüber hinaus – unabhängig vom Dokument, das den Eigentumsübergang im Rahmen eines Liefervertrags bescheinigt, – muss ein solches Dokument Folgendes enthalten:
- Erstellungsdatum;
- Datum des Eigentumsübergangs, falls es vertragsgemäß vom Datum der Dokumentenerstellung abweicht;
- Ort der Dokumentenerstellung;
- Individualisierung der Ware (Auflistung oder Verweis auf ein Dokument, das eine solche Auflistung enthält);
- Bezeichnungen der Parteien; und
- Unterschriften der Parteien oder von deren Vertretern.
Wenn ein solches Dokument auf der Grundlage von besonderen Befugnissen (z.B. einer Vollmacht), unterzeichnet wird, müssen diese Befugnisse bei der Unterzeichnung überprüft werden, und alle Dokumente (deren Kopien), die diese Befugnisse bestätigen, sollten während der gesamten Verjährungsfrist aufbewahrt werden.
Es ist klar, dass in den meisten Fällen die Vertragsbedingungen von der Partei diktiert werden, die Markt- oder Situationsvorteile hat (sie verfügt über Waren mit unzureichendem Marktangebot, ist bloß zahlungsfähig oder einfach aussichtsreich für eine weitere Zusammenarbeit usw.). Aber wenn man die Besonderheiten der Regelung des Eigentumsübergangs bzw. des Eigentumsvorbehalts in der Ukraine und deren Folgen kennt, kann man sich nicht nur vor möglichen Risiken schützen, sondern auch eine stabilere und begründete Position in Verhandlungen über die Bedingungen von Lieferverträgen einnehmen.