Anerkennung und Vollstreckung von deutschen Urteilen in der Ukraine
Nach den Regeln des allgemeinen Völkerrechts, insbesondere dem Prinzip der territorialen Integrität, ist grundsätzlich kein Staat verpflichtet, die Entscheidungen von Gerichten anderer Staaten auf seinem Territorium zu beachten oder sogar zu vollstrecken. Eine völkerrechtliche Pflicht zur Anerkennung und Vollstreckung des Urteils eines ausländischen Gerichts entsteht nur dann, wenn sich ein Staat dazu durch einen entsprechenden völkerrechtlichen Vertrag verpflichtet hat.
Die Ukraine hat eine Reihe von internationalen Abkommen bzw. bilateralen völkerrechtlichen Verträgen ratifiziert, die das spezielle und in meisten Fällen vereinfachte Anerkennungs- sowie Vollstreckungsverfahren vorsehen. Bei den bilateralen Völkerverträgen handelt es sich überwiegend um die GUS-Staaten, die baltischen Staaten und andere osteuropäische Länder. Zurzeit besteht weder zwischen der Ukraine und Deutschland, noch zwischen der Ukraine und der EU ein entsprechendes Abkommen, das die Fragen hinsichtlich der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Wirtschaftssachen regelt (wie z.B. die Verordnung Nr. 1512/2015 innerhalb der EU, die eine gegenseitige Anerkennung und Vollstreckbarkeit innerhalb der EU bestimmt).
In der Ukraine gelten für die Anerkennung und die Vollstreckung eines ausländischen Urteils die Regeln der ukrainischen Zivilprozessordnung (Art. 390 Abs. 1), der im Jahre 2010 eingeführt wurde und der das Gegenseitigkeitsprinzip im ukrainischen Recht verankert hat. Die zeitliche Grenze für eine Anerkennung und eine Vollstreckung eines ausländischen Urteils sind drei Jahre nach Rechtskraft des Urteils, es sei denn, es handelt sich um Leistungen aus einem Dauerschuldverhältnis. Im letzteren Fall können Entscheidungen zur Zwangsvollstreckung innerhalb der ganzen Zeit des Vollstreckungsverfahrens zur Begleichung der Schulden für die letzten drei Jahre vorgelegt werden.
Der Antrag auf Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Urteils wird von dem ordentlichen Gericht am Sitz des Schuldners verhandelt, oder wenn dieser in der Ukraine nicht existiert, bei dem Gericht, innerhalb dessen Bezirks Vermögenswerte des Schuldners liegen, in die vollstreckt werden soll. Ausgeschlossen ist die Vollstreckung solcher Urteile, die gegen das Prinzip der ausschließlichen Zuständigkeit der ukrainischen Gerichte ergangen sind. So sieht das Gesetz der Ukraine zum internationalen Privatrecht die ausschließliche Gerichtsbarkeit unter anderem für die Fälle der Verhandlung in Sachen einer Immobilie, die sich in der Ukraine befindet, vor.
Das Gegenseitigkeitsprinzip besagt, dass angenommen wird, dass auch ukrainische Urteile in dem anderen Staat, d.h. in diesem Falle in Deutschland, vollstreckt werden können. Das Gegenseitigkeitsprinzip wird nach der ukrainischen Zivilprozessordnung dabei als Regelfall angenommen, sie muss nicht mehr wie früher durch Bescheinigungen der jeweiligen Justizministerien im konkreten Fall nachgewiesen werden. Eine ähnliche Regel enthält auch § 328 Abs. 1 Ziffer 5 der deutschen ZPO, nach dem — neben den in den Ziffern 1 bis 4 genannten Fällen — eine Vollstreckung eines ausländischen Urteils nicht möglich ist, wenn die Gegenseitigkeit der Vollstreckung nicht gewährleistet ist.
Konkret müssen mit einem Antrag auf die Anerkennung und die Vollstreckung eines ausländischen Urteils bei dem zuständigen ukrainischen Gericht die nachfolgenden Unterlagen eingereicht werden:
- amtlich beglaubigte Kopie des rechtskräftigen Urteils;
- Rechtskraftvermerk bzw. offizielle Urkunde, die die Rechtskraft des ausländischen Urteils nachweist (falls sich dies dem Urteil selbst nicht entnehmen lässt);
- Nachweis darüber, dass die Partei, hinsichtlich deren die Entscheidung des ausländischen Gerichts getroffen wurde und die im Gerichtsverfahren nicht teilgenommen hat, über Termin und Ort der Gerichtsverhandlung ordnungsgemäß benachrichtigt wurde;
- wenn die Entscheidung schon vorher vollstreckt wurde, ein Nachweis, ab welchem Datum oder hinsichtlich welchen Teils die Entscheidung der Vollstreckung unterliegt; und
- Vollmacht des Vertreters des Klägers, wenn dieser Antrag von einem Vertreter gestellt wurde.
Alle Unterlagen müssen im Original oder in einer amtlich beglaubigten Kopie, jeweils mit einer Apostille bzw. einer Überlegalisierung, sowie mit einer amtlich beglaubigten ukrainischen Übersetzung, vorgelegt werden.
Wenn alle dieser Voraussetzungen gegeben sind, spricht das ukrainische Gericht dem ausländischen Urteil seine Anerkennung und seine Vollstreckbarkeit aus. Die eigentliche Vollstreckung erfolgt dann aber nach den ukrainischen Regeln.